Chronologie
Im Februar 1976 fuhr Christo zum ersten Mal nach Westberlin, um sich mit dem Leiter der Verwaltung des Deutschen Bundestages, Hans-Jürgen Hess, zu treffen; es folgten weitere Reisen im Juni 1976 sowie im Januar und Mai 1977.
Während der Aufenthalte in Berlin und Bonn treffen Christo, der Historiker Michael Cullen und Christo und Jeanne-Claudes Fotograf Wolfgang Volz:
- den Bundestagspräsidenten Karl Carstens (der im Mai 1977 die erste Absage erteilt)
- den Altbundeskanzler und SPD-Vorsitzenden Willy Brandt
- die Kulturverwaltung des Westberliner Senats
- Vertreter der Alliierten (Großbritannien, Frankreich und die USA)
Bundestagspräsident Richard Stücklen erteilt Christo und Jeanne-Claude 1981 die zweite Absage. Noch im gleichen Jahr, am 4. Oktober, stattet Willy Brandt Christo und Jeanne-Claude in ihrer Wohnung in New York einen Besuch ab und erklärt den Künstlern, die durch die Absage entmutigt sind: "Sie dürfen das Projekt jetzt nicht aufgeben, zu viele Deutsche zählen auf Sie."
Am 21. September 1987 besucht Roland Specker den Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger, um ihm die Liste mit 70.000 Unterschriften von Berlinerinnen und Berlinern zu übergeben, die er mit Hilfe seines Vereins "Berliner für den Reichstag" gesammelt hat. Bei diesem Treffen macht Jenninger unmissverständlich klar, dass er der Verhüllung des Reichstages niemals zustimmen werde. Es ist die dritte Absage des Projektes.
Im Dezember 1991, kurz nach der Realisierung ihres Projektes The Umbrellas, Japan–USA, erhalten Christo und Jeanne-Claude schließlich einen Brief von Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, die die Künstler einlädt und ihre Unterstützung für das Projekt anbietet.
Dem Rat von Rita Süssmuth folgend, finden zwischen Februar 1992 und Februar 1994 352 persönliche Treffen mit Entscheidungsträgern und Bundestagsabgeordneten statt, die Wolfgang und Sylvia Volz organisieren. Sobald es den beiden gelingt, mit einer gewissen Anzahl von Abgeordneten Termine zu vereinbaren, fliegen Christo und Jeanne-Claude für ein paar Tage zur Lobbyarbeit nach Bonn und treffen sich mit ihnen:
- Wolfgang Thierse (SPD)
- Heribert Scharrenbroich, Claus-Peter Grotz und Hans-Peter Voigt (alle CDU)
- Günter Verheugen (SPD)
- Peter Struck (SPD)
Am 25. Februar 1994 streiten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages 70 Minuten lang über das Für und Wider des Projektes. Es ist das erste Mal in der Geschichte überhaupt, dass in einem Parlament über ein Kunstwerk debattiert und abgestimmt wird. Das Ergebnis der Stimmenauszählung lautet: 292 dafür; 223 dagegen; neun Enthaltungen, eine ungültige Stimme.
Bei einem Treffen in Berlin am 8. Mai 1994 besprechen Christo, die beiden Anwälte Scott Hodes und Peter Raue, Bruno Zahner (ein technischer Assistent Christos) und Roland Specker (v.r.n.l.) die letzten Details zur Registrierung der Verhüllter Reichstag GmbH, einer speziell zur Durchführung des Projektes gegründeten Tochtergesellschaft der amerikanischen C.V.J. Corporation - die juristische Dachgesellschaft für die Projekte der Künstler. Geschäftsführer der neu gegründeten Gesellschaft sind Wolfgang Volz und Roland Specker.
Am 18. Oktober 1994 unterschreiben Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und die beiden Geschäftsführer der Verhüllter Reichstag GmbH, Roland Specker (l.) und Wolfgang Volz (r.), den Vertrag zur temporären Nutzung des Reichstagsgebäudes.
Zehn deutsche Unternehmen beginnen im September 1994, gemäß den Vorgaben der Ingenieure die Materialien zu fertigen.
- Das Gewebe wird von der Firma Schilgen in Emsdetten gefertigt und anschließend von Rowo-Coating in Herbolzheim aluminisiert.
- Takler Olaf Wegmann fertigt die Spleiße für die 15,6 Kilometer Seile, die von Gleistein Tauwerk in Bremen hergestellt werden.
- Stahlbau Zwickau stellt in Zwickau und Chemnitz Stahlkonstruktionen mit einem Gesamtgewicht von 200 Tonnen her.
- Um Zeit zu sparen, wird das Gewebe von drei Firmen gleichzeitig zugeschnitten und genäht: Zeltaplan in Taucha bei Leipzig, Spreewald Planen in Vetschau bei Cottbus und Canobbio in Serravalle Scrivia bei Genua.
Am 27. April beginnen die physischen Arbeiten am Reichstagsgebäude.
- Bis zum 31. Mai 1995 werden die Vasen, Statuen, Turmkronen und Giebel des Reichstages mit Stahlkäfigen und -rahmen versehen, um so dass Gebäude zu schützen und die Proportionen des Bauwerkes zu betonen.
- 90 Gewerbekletterer und 120 Montagearbeiter befestigen die Oberkante der Gewebebahnen an großen, im Dach verankerten Halterohren. Gewebe und Seile für die beiden Innenhöfe werden zuerst entfaltet.
- Am 18. Juni um 5 Uhr stoßen die Dachmannschaften gleichzeitig die Gewebebahnen über die Giebelkanten der vier Fassaden. Beim Begleiten des Gewebes arrangieren die Kletterer die Falten und bringen vorübergehend Rückhalteseile an für den Fall, dass plötzlich Wind aufkommt. Nachdem alle Gewebebahnen bis nach unten entrollt und an Stahlgewichten befestigt sind, bringen Kletterer die endgültigen Seile an.
Die Verhüllung des Reichstages wird am 24. Juni 1995 vollendet. Das Gebäude bleibt vierzehn Tage lang verhüllt. Am 7. Juli beginnen die Abbauarbeiten. Alle Materialien werden recycelt. Insgesamt besuchen 5.000.000 Menschen das temporäre Kunstwerk.